Oliver Reifenhäuser und Carola Reifenhäuser, veröffentlicht am 21. August 2015

Überlegungen zur Koordination der ehrenamtlichen Flüchtlingshilfe aus organisationsentwicklerischer Perspektive

freiwilligenmanagement_fluechtlingeSeit dem sprunghaften Anstieg der Flüchtlingszahlen in den letzten Jahren, stellt sich die Situation in der ehrenamtlichen Flüchtlingshilfe in vielen Kommunen ähnlich dar. Viele Organisationen, Verbände und auch die Kirchen fühlen sich aufgrund ihres sozialen und ideellen Auftrags aufgerufen, hier aktiv zu werden, obwohl sie bisher mit dem Thema und der Zielgruppe wenig zu tun hatten. Gleiches gilt für viele Bürgerinnen und Bürger, die betroffen von den furchtbaren Bildern und Nachrichten aus den Krisenregionen und dem täglichen Drama der Flüchtlinge im Mittelmeer, spontan helfen und etwas für die Flüchtlinge bzw. Asylsuchenden tun wollen.

Auch für die Kommunen stellen die steigenden Zahlen ankommender Menschen nicht nur eine zeitliche und finanzielle Herausforderung dar, sondern vor allem auch eine logistische und organisatorische. Die Kommunen und Organisationen reagieren auf diese Herausforderung ganz unterschiedlich. Vielerorts werden „Runde Tische“ ins Leben gerufen, an denen Vertreter aus Verwaltung und Politik, den Wohlfahrtsverbänden und Kirchen sowie Polizei, Wohnungsunternehmen und Flüchtlingsinitiativen über akute Fragen zur Unterbringung und Integration diskutieren.

Unterdessen sammeln Kirchengemeinden schon mal Kleidung und Spielsachen und organisieren Hilfeleistungen. Und manchmal geht die Hilfe auch komplett am Bedarf vorbei, weil man zwar glaubte zu wissen, was Flüchtlinge brauchen, jedoch nicht mit ihnen selbst oder den Fachleuten vor Ort gesprochen hat. Und auch das gibt es: eine ältere Dame, die in das Büro einer Flüchtlingskoordinatorin kommt und „ihren“ Flüchtling einfordert, den sie nun endlich betreuen will. Es gibt viele beeindruckende Projekte, in denen Flüchtlinge und Asylsuchende von den hier lebenden Menschen aufgenommen und unterstützt werden, und dennoch beschreiben viele Engagierte, die in der ehrenamtlichen Flüchtlingshilfe tätig sind, die Situation vor Ort insgesamt als sehr chaotisch und die Projekte und Maßnahmen oft nicht aufeinander abgestimmt.

Im Mittelpunkt der Bemühungen der Akteure steht natürlich die direkte Hilfe für die bei uns ankommenden Menschen.

Aber auch die Ehrenamtlichen in der Flüchtlingshilfe brauchen Unterstützung. Einige Kommunen, Verbände und Organisationen haben auch schon FreiwilligenkoordinatorInnen für ihre Ehrenamtlichen benannt. Gerade aber, weil so viele Bürgerinnen und Bürger unabhängig von den Organisationen und Verbänden aktiv geworden sind, und eigene Hilfsangebote auf die Beine gestellt haben, bedarf es hier weiterer Koordinationsstrukturen. Denn diese vielen autonom agierenden Ehrenamtlichen(-gruppen) kommen nicht selten an ihre Grenzen und sie fühlen sich selbst hilflos. Die „offiziellen“ Stellen erfahren von diesen Menschen eher zufällig. Auch wenn sie sich meist bewusst mit ihrem Engagement außerhalb eines organisatorischen Rahmens stellen, sollten Kommunen und Organisationen aktiv versuchen diese Menschen zu erreichen, ohne ihnen ihre Selbstständigkeit nehmen zu wollen. Sie sind neben den Institutionen (Kommunen), den Organisationen, Vereinen und den Kirchen eine wichtige 3. Säule der Flüchtlingshilfe. Sie leisten neben praktischer Hilfestellungen (z. B. Deutschunterricht, Dolmetschertätigkeit…) auch wertvolle Beziehungsarbeit und eine unkomplizierte Einbindung in den Alltag – eben nur nicht in einem organisatorischem Rahmen.

Idealerweise ist die Hilfe dieser drei Säulen aufeinander abgestimmt. Das spart Zeit und Geld und schafft eine bessere Zufriedenheit bei den Akteuren und Engagierten und die Hilfe und Unterstützung der Flüchtlinge und Asylsuchenden geht Hand in Hand.

Initiator dieser übergeordneten „Koordinierungsstelle Flüchtlingshilfe“ könnte die Kommune selbst sein. Sie versteht sich im besten Fall als neutral und unabhängig und wird als Instanz akzeptiert. Sie kann die organisationsübergreifende Koordination entweder selbst zu übernehmen, bzw. eine andere Organisation dafür beauftragen. Falls die Initiative dafür nicht aus der Kommune selbst kommt, können und sollten Organisationen versuchen hier einen Impuls zu setzen und die Kommune dazu auffordern. Einige Kommunen versuchen schon über Runde Tische oder Aktionsbündnisse die Haupt- und Ehrenamtlichen in der Flüchtlingshilfe in Kontakt zu bringen. Die Organisationen selbst könnten dies aber auch eigeninitiativ tun. Es bedarf nur eines engagierten Initiators.

Ein Ziel muss es sein, die Vielzahl aller „Akteure“ in der Flüchtlingshilfe so sichtbar zu machen (von der Institution bis hin zum einzelnen unabhängigen Engagierten), dass klar wird, wer für wen genau was anbietet oder tut. Das Ideal ist ein „Big Picture“, also ein großes Schaubild, in dem alle Akteure der Kommune mit ihren Angeboten dargestellt sind. Dies ist auch die Basis für die Abstimmung der Schnittstellen zwischen den Akteuren. Alternativ oder ergänzend kann man auch ein Prozessschaubild erstellen, in dem die Verfahrenswege und Abläufe, wie ein Wegweiser transparent werden. Zusätzlich bedarf es einer in einfacher und verständlicher Sprache gehaltenen Erläuterung der aktuellen Rechtslage bezüglich der Flüchtlinge und Asylbewerber. Aufgrund häufiger Änderungen der Regelungen und Gesetze bietet sich das Internet (z. B. Internetauftritt der Kommune) als Ort für die Veröffentlichung an. Aber auch das Thema Versicherungsschutz im Ehrenamt, Fördermöglichkeiten für Projekte oder Materialien sollten beschrieben werden.

Gerade für die autonom agierenden Ehrenamtlichen braucht es neben diesen konkreten Informationen auch Qualifizierungsangebote sowie die Möglichkeit zum Erfahrungsaustausch mit anderen Engagierten. Ihnen kann dadurch auch vermittelt werden, dass sie zwar nicht Teil einer Organisation sind, aber Teil eines Netzwerkes (oder Bündnisses), von dem sie Unterstützung bekommen können. Vielleicht braucht das organisationsübergreifende Netzwerk auch einen eigenen Namen, um das Gefühl des Miteinanders der Engagierten zu stärken.

Letztendlich geht es darum, die Arbeit in der Flüchtlingshilfe so zu organisieren und aufeinander abzustimmen, dass die Organisationen in klar geregelten Partnerschaften reibungslos zusammenarbeiten, damit den Flüchtlingen und Asylsuchenden in ihrer schwierigen Lage eine optimale Aufnahme, Unterstützung, Hilfeleistung und Integration zuteilwerden kann .

Die beratergruppe ehrenamt bietet in Organisationen auch spezielle Basiskurse für FreiwilligenkoordinatorInnen in der Flüchtlingshilfe an.

Einige gute Beispiele wie Ehrenamtliche in der Flüchtlingshilfe in ihrem Engagement unterstützt werden finden Sie hier: